PRESSE – Getreideverkehr

Augsburger Abendzeitung vom Sonntag, 29. September 1878

München, 25. Sept. Das Getreide=Exportgeschäft hat in Ungarn seit mehreren Wochen begonnen und rasch große Dimensionen angenommen. Da von den Schleppern der k. k. österr. Donaudampfschifffahrtsgesellschaft zur Zeit eine nahmhafte Anzahl am Kriegsschauplatze, theils zum Transporte, theils zu Schiffbrücken, verwendet ist, so vermochte sie die Verfrachtung eines Theiles des Getreides aus Ungarn auf der Donau nur bis einige Stationen vor Wien zu übernehmen und geht dann dasselbe, meist Weizen und Gerste, von dort mittelst der Bahn weiter nach Deutschland, Frankreich, nach der Schweiz, an den Rhein, in die Münchner Lagerhäuser u. s. w. Nebenbei wird allerdings auch einiges Getreide auf den Schleppern noch auf der Donau weiter bis Passau und von da auf dem Inn bis Simbach speditirt.
Vorzugsweise aber müssen die größeren Getreidemassen auf den Bahnen und zwar gleichfalls über Simbach geleitet werden, woselbst oft an einem einzigen Tage 12 – 15 österreichische Züge eintreffen, welche zusammen 400 und mehr beladene Waggons dorthin verbringen. Die bayerische Staatsbahn sah sich schließlich gezwungen, mehrere tägliche Extrazüge von Simbach abgehen zu lassen, um den nöthigen Raum für die in kurzen Zwischenräumen ab Wien wieder nachgeschobenen riesigen Güterzüge der Kaiserin=Elisabeth=Westbahn zu beschaffen. Dieser kolossale Verkehr wird vermutlich bis Ende dieses Jahres fortdauern.
Es soll übrigens von ein paar Handlungshäusern, wie man sagt, versucht werden, nunmehr einen größeren Theil des nach Frankreich bestimmten ungarischen Getreides auf den Bahnen nach den adriatischen Häfen zu verbringen, um von da den Seeweg nach Marseille zu nehmen, wobei billigere Frachtspesen erzielt würden; wird dieses durchgeführt, so tritt wohl eine merkbare Entlastung für die bayer. Bahn ein, allerdings nicht zum Vortheile ihrer Rente. Denn wenn an einer Fracht irgendwo auch nur ein kleiner Bruchtheil einer Mark per Zentner erspart werden kann, so versäumt der Großhandel diesen Nutzen nicht; bei vielen tausend Zentnern läuft er dann freilich auch ins Geld.

Quelle: Walter Langenmeier (mit freundlicher Genehmigung)

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