PRESSE – Wem gehört jetzt der Töginger Bahnhof?
Wem gehört jetzt der Töginger Bahnhof?
Deutsche Bahn verkaufte ihn schon 2005, jetzt war ein Verkaufs-Inserat online geschaltet – Er sollte 79 900 Euro kosten
Töging. Er wird als öffentliches Gebäude wahrgenommen und täglich von Dutzenden Menschen betreten – doch die Eigentumsverhältnisse beim Töginger Bahnhof erscheinen unklar. Offenbar ist das Gebäude jüngst in neue Hände übergegangen.
Bei „ImmobilienScout24“, einem Online-Portal, war der Bahnhof bis vor wenigen Tagen inseriert: 79 900 Euro wurden als Kaufpreis gefordert. Zur Immobilie gab es nur ganz knappe Angaben: „20 Zimmer, Wohnfläche ca. 430 Quadratmeter“, war in dem Inserat zu lesen. Seit wenigen Tagen ist das Inserat nicht mehr freigeschaltet – wohl ein Hinweis darauf, dass sich ein neuer Eigentümer gefunden hat.
Eine Nachfrage bei der Deutschen Bahn ergibt, dass das Unternehmen mit dem Gebäude schon seit Jahren nichts mehr zu tun hat: „Das Bahnhofsgebäude in Töging wurde bereits im Jahr 2005 an die Immobiliengesellschaft First Rail Property verkauft und unserer Kenntnis nach nach deren Insolvenz von der Immobiliengesellschaft Patron Capital übernommen“, informiert Bernd Honerkamp, Sprecher der Bahn in München. Da das Gebäude der Bahn nicht mehr gehörte, könne man also zu dem aktuellen Verkaufsangebot nichts sagen.
Patron Capital ist ein britisches Unternehmen mit einer deutschen Tochter in Dreieich südlich Frankfurt/Main (Hessen). Dort gibt man sich auf Nachfrage des Anzeigers recht verschlossen: „Wir erteilen keine Presseauskünfte“, sagte ein Sprecher knapp.
Ein ähnliches Schicksal wie der Töginger Bahnhof haben in Deutschland viele ähnliche Immobilien: 5400 Bahnhöfe wurden, da für den Bahnbetrieb als nicht mehr wirtschaftlich angesehen, zuerst in die DB Station & Services AG ausgegliedert und ab 2001 an die Firma First Rail Property verkauft. 2005 wechselte der Töginger Bahnhof den Eigentümer – und First Rail Property ging noch im selben Jahr in den Konkurs. Daraufhin trat Patron Capital auf den Plan. Dieser Firma gehören derzeit geschätzt rund 1000 Bahnhöfe. Aber offenbar will diese Firma nun den Töginger Bahnhof loswerden – daher das Inserat bei „Immobilien Scout 24“.
Der Töginger Bahnhof war in den Jahren 1923/24 gebaut worden. Jahrzehntelang kamen hier die Menschen an, die beim Bau von Innkanal und Kraftwerk sowie später im Aluminiumwerk auf Lohn und Brot hofften. Für drei Familien – jene des Bahnhofsvorstehers und zweier Fahrdienstleiter – wurde das Gebäude eine Heimat. 1945 wurden hier bei Kriegsende monatelang US-Truppen einquartiert. 1977 wurde der Bahnhof mit Drucktastenstellwerk und Lichtsignal ausgestattet.
Die Deutsche Bahn betont, sie habe mit den jetzigen Vorgängen nichts mehr zu tun, unterstreicht aber, der Bahnbetrieb sei davon unabhängig: „Die Besitzverhältnisse oder das Vorhandensein eines Bahnhofsgebäudes haben keinerlei Einfluss darauf, ob oder wie oft an einem Bahnhof Züge halten“, schreibt Unternehmenssprecher Bernd Honerkamp.
Die Distanz, die das Unternehmen jetzt zu ihren einstigen Immobilien hat, ist in den vergangenen Jahren vielfach kritisiert worden: Der Fahrgast-Verband „Pro Bahn“ kritisierte schon vor Jahren in diesem Zusammenhang „eklatantes Versagen“ bei Staat und Regierung: Sie hätten wissen müssen, wohin ein Verkauf der Immobilien an Finanzinvestoren führt, die nur an ihren Profit denken. Wohin dies führen kann, ist beim Bahnhof Neuötting in Eisenfelden zu sehen – Vandalismus und fehlende Renovierungen haben ihn in einen erbarmungswürdigen Zustand versetzt, der allseits beklagt wird. Aber: Man kann nichts tun, alles ist in privater Hand. − afb
Alt-, Neuöttinger Anzeiger vom 14.08.2013
Veröffentlichung mit Genehmigung der Redaktion vom 16. Dezember 2020