PRESSE – Weniger Lokwechsel und mehr Güterverkehr
150 Jahre Bahnhof Simbach – Franz Mühlberger fordert Elektrifizierung der Strecke nach Mühldorf – Freie Kapazitäten
Simbach. Seit 150 Jahren besteht nun schon die Bahnstrecke München-Simbach. Der offizielle Festakt dazu fand kürzlich auf dem Mühldorfer Bahnhof statt (wir berichteten). Einer, der sich ebenfalls sehr über dieses Jubiläum freut, ist Franz Mühlberger, ein ausgesprochener Eisenbahn-Kenner. Direkt an den Gleisen, in Sichtweite zum Bahnhof, stehen sein Betriebsleiterwohnhaus und Firmengebäude. Er macht sich regelmäßig Gedanken, wie es mit dem Personen- und Güterverkehr weitergehen soll, und wünscht sich insbesondere eine durchgehende Elektrifizierung.
Der 58-jährige Bauunternehmer kennt jede Lok und jeden Wagen, der die Innstadt passiert. Als Sechsjähriger schenkte ihm sein Vater die erste Modelleisenbahn. Als Jugendlicher dann wuchs sein Bahn-Interesse. Der gebürtige Erlacher erinnert sich: „Wir sind immer auf den Berg gerannt, wenn wieder eine Dampflok kam. Aber bereits im Jahr 1969 ist die Strecke stillgelegt worden. Da kamen dann nur noch die Abbau-Züge.“
Alles, was sich auf den Gleisen bewegt
Seit 1980 fotografiert Mühlberger alles, was sich zwischen Simbach oder Braunau auf den Gleisen bewegt. Zusätzlich sammelt er die dazugehörigen Eisenbahn-Modelle und stellt in Vitrinen entsprechende Züge zusammen. Letztes Jahr hat er zusammen mit Karl Bürger und Alfred Baumgartner einen umfangreichen Bildband veröffentlicht: „Auf der Eisenbahn rund um Simbach und Braunau am Inn.“
Darin sieht man auch, wie die Eisenbahnerstadt stetig an Bedeutung verloren hat. Und das findet er schade. Man habe immer nur versucht Kosten einzusparen, ärgert er sich. Dabei seien bis in die dreißiger Jahre internationale Züge durch den Simbacher Bahnhof gefahren, unter anderem der legendäre Orient-Express. Als die Trasse München-Salzburg elektrifiziert wurde, nahm im Inntal der Verkehr ab, obwohl hier die Strecke München-Wien um 40 Kilometer kürzer wäre.
Jetzt aber, sagt Mühlberger, hätte man endlich begriffen, „dass unsere Urväter mit der Schaffung dieser Strecke am 1. Juni 1871 einen Riecher hatten“. Sie erkannten das Verkehrspotenzial „hinten rum“, also über Simbach, Braunau und Ried bzw. Braunau und Steindorf. Auf der österreichischen Seite werde seit 2019 die Elektrifizierung der beiden Strecken zwischen Neumarkt Kallham über Ried nach Braunau und Simbach sowie von Steindorf bis Braunau vorangetrieben. 2026 will man damit fertig sein.
Zwischen Simbach und Mühldorf entsteht dann ein Nadelöhr, denn die E-Loks können hier nicht weiterfahren. Der erzwungene Lokwechsel auf Diesel aber ist zeit- und kostenintensiv, ganz zu schweigen von klimaschädlichen Abgasen. Das sieht man bereits jetzt, wenn alle vier Güterzug-Gleise im Bahnhof mal wieder belegt sind, da von ÖBB- auf DB-Cargo-Loks umgespannt werden muss. Das bedeutet auch jede Menge Stress für den Fahrdienstleiter.
Beim Personenverkehr gilt: Wer von München nach Linz will, muss in Simbach umsteigen. Zuletzt gab’s in den Jahren 2008 bis 2012 einen durchgehenden Schnellzug von Linz bis München Hauptbahnhof, aber das Projekt wurde aus Kostengründen wieder beendet.
Für Mühlberger bringe eine Elektrifizierung der eingleisigen, 38 Kilometer langen Strecke Simbach-Mühldorf viele Vorteile. Dann brauche es nur noch den Lokführer-Wechsel. Und die Kapazität für mehr Güterverkehr wäre auch da, während die bisherigen Hauptstrecken München-Salzburg und Passau-Nürnberg bereits stark ausgelastet sind. Mühlberger ist überzeugt: „In Störfällen wäre die Innkreisbahn über Simbach-Braunau eine wichtige Alternative zu den Güterhauptverbindungen.“
Simbach hatte auch mal einen florierenden Güterbahnhof: „Am Ladehof mit den vier Gleisen wurde brutal viel umgeschlagen“, erinnert sich der Bauunternehmer. „Jeden Tag fuhren ein bis zwei Güterzüge dort weg. Aber die Bahn hat immer mehr an Miete für den Platz verlangt.“
Daher seien die Österreicher, die dort rangiert haben, nach Braunau abgewandert. Jetzt müssten sich die deutschen Holz-Laster durch die Stadt quetschen und hätten lediglich ein Gleis zum Umladen zur Verfügung, was natürlich zusätzliche Wartezeiten mit sich bringe. „Die Güterzüge nach Ranshofen werden nach Salzburg umgeleitet“, weiß der Bahn-Experte. Das sei ganz im Sinne der Österreicher, denn mehr Verkehr bringt auch mehr Einnahmen.
Der Simbacher Holzverladeplatz hingegen steht jetzt leer. „Da parken nur noch Lastwagenfahrer und entsorgen ihren Müll. Das war mal wieder super deutsche Politik.“ Dabei bringe ein Güterzug 40 Lkw von der Straße. Simbacher Firmen wie Knauf Insulation, Erform oder Schütz würden von einer Bahnverladung profitieren. „Es müsste halt mal ein Verantwortlicher der Bahn was einfädeln“, so Mühlberger. Gerade angesichts der Klimaschutz-Debatte wäre ein Umdenken dringend notwendig, denn: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“
Früher sei alles mit der Bahn transportiert worden, auch auf kürzesten Strecken. „Da müssen wir wieder hin, etwa indem man nachts den Güterverkehr fahren lässt und tagsüber die Personenzüge.“
Auch private Güterzüge würden die kürzere Route über Simbach bevorzugen, weil sie dadurch an Trassengebühr sparen. „Die Deutsche Bahn bremst die Privaten aus, aber die haben uns gezeigt, wie’s geht.“ Mühlberger verweist auch auf die geradlinige, flache Strecke bis Mühldorf. „Hier wären Güterzüge mit über 700 Meter Länge möglich.“ Dazu ist seiner Meinung nach nur ein „bescheidener Ausbau“ nötig, damit sich zwei dieser langen Züge auf der weiterhin eingleisigen Strecke begegnen können. Leider sei dieser Ausbau noch nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten.
Absichtserklärung von Seiten der SOB
Immerhin will das Bundesverkehrsministerium mit seinem Programm „Deutschlandtakt 2030“ die Attraktivität des Schienenverkehrs massiv erhöhen. Die Gutachter sprachen sich Ende des letzten Jahres für eine zweistündliche Fernverkehrslinie über Simbach/Braunau aus. ÖBB Railjetzüge würden dann zwischen München und Wien fahren. Mühlberger wünscht sich „gutes Gelingen“ für diese Pläne. Und vielleicht heißt es dann in den Lautsprecherdurchsagen am Simbacher Bahnhof ab 2030 wieder: „Vorsicht! Auf Gleis 1 fährt ein der Orientexpress aus Paris zur Weiterfahrt nach…“
Passauer Neue Presse vom 09.08.2021
Veröffentlichung mit Genehmigung der Redaktion vom 16. Dezember 2020